Bielefelder Initiative

für sozialökologische Stadtentwicklung

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Quartiersorientierung als Leitbild

Unterscheidung Quartier, Viertel, Stadtteil, Stadt fließende Übergänge Quartiere“ werden von den dort lebenden Menschen als sozialräumliche Einheit und Begegnungsraum erlebt und verstanden. Quartiere sind kleinräumig strukturiert, wobei Quartiere in Viertel“ übergehen, diese wiederum in den Stadtteil und dann in die Stadt. Ein Viertel“ kann aus ein oder mehreren Quartieren bestehen. Das Quartier als kleinste Einheit zeichnet sich durch direkte Begegnungsmöglichkeiten aus (man kennt sich als Quartiersbewohner aufgrund unterschiedlicher Kontakte und Begegnungsmöglichkeiten untereinander), ausdehnungsräumlich ist ein Viertel noch fußläufig erfahrbar, und für den Stadtteil oder gar die Stadt sind der Bus oder andere Verkehrsmittel erforderlich.

Prinzipien der Quartiersentwicklung

Quartiersentwicklung erfordert einen kooperativen, partizipativ entwickelten Prozess möglichst aller im Quartier wohnenden und arbeitenden Menschen und Institutionen. Es geht um die Optimierung des gesamten Lebensumfeldes in diesem Quartier. Dieser Prozess zielt auf die Schaffung von Vielfalt statt Einförmigkeit, auf Buntheit und Mischung. Die Herstellung von Vielfalt erfordert auf der anderen Seite ein partizipativ entwickeltes Gesamtkonzept. Vielfalt vor allem in drei Dimensionen, wobei alle drei Dimensionen miteinander vernetzt sind:

  • Nutzung

  • Soziale Zusammensetzung

  • Architektur

Nutzung:

Im Quartier sollen Wohnen, Arbeit und Freizeit gemischt sein. Hierzu gehören:

  • Schaffung eines bedarfsgerechten Wohnangebotes,
  • Schaffung eines Angebots an wohn-kompatiblen Gewerberäumen (Reparaturbetriebe, Änderungsschneiderei, nicht störendes Kleingewerbe, Dienstleister wie Rechtsanwälte etc.)
  • Schaffung einer generationengerechten Infrastruktur, die unterschiedlichen Bedürfnisse alter Menschen berücksichtigt – von Älteren (z.B. barrierefreie Wege, Sitzbänke, Ruhemöglichkeiten, ausreichende Beleuchtung etc.) von Kindern(z.B. Spielplätze) und Jugendlichen (z.B. Treffpunkte, Jugendzentrum).
  • Schaffung einer Quartiers-Mitte mit Aufenthaltsqualität als erkennbare zentrale Begegnungs- und Kontaktmöglichkeit
  • Versorgungseinrichtungen, wie z.B. Einkaufs- und Begegnungsmöglichkeiten oder ein Markt
  • Bedarfsgerechte gesundheitliche Dienstleistungen und Angebote, wie z.B. ärztliche, pflegerische Versorgung, Apotheke, Therapeutische Praxen etc.
  • Wohnortnahe Beratung und Begleitung im Alltag (soziale Hilfen und Unterstützung, Pflegedienst, Mittagstisch etc.)
  • Tragende soziale Infrastruktur (Stärkung von Beteiligung, Eigeninitiative und gegenseitiger Hilfe, Ansprechpartner, Kümmerer“, Mediation von Konflikten), nachhaltige Nachbarschaft
  • Bildung wie z.B. Kita, (Grund-)Schule, während weiterführende Schulen und Bildungseinrichtungen wie z.B. VHS, Bibliothek etc. im Stadtteil (oder in der Stadt) erreichbar sein können.
  • Kultur (Auftrittsmöglichkeit für Kleinkunst, Ausstellungen etc.)
  • Sport und Bewegung (Spielplatz, Bolzplatz, Sporthalle, Sportverein, Fitnesstudio, Naherholungsflächen, Grünzüge etc.)
  • Verkehrliche Infrastruktur, gute, fußläufige Anbindung an ÖPNV, im Quartier Bevorzugung von Fußgängern und Radfahrern

Soziale Zusammensetzung:

Die soziale Zusammensetzung soll ein möglichst buntes“ Abbild der Gesellschaft sein, Vermeidung sozialer Monostrukturen. D.h. im Quartier sollten arme und reiche Menschen miteinander leben, junge und alte, gesunde und gehandicapte, Einheimische und Zugezogene etc. Ferner sollte es einen Mix unterschiedlicher Lebensstile und Lebensformen geben: Singles, Einelternhaushalte, Familien und gemeinschaftliches Wohnen sollte es nebeneinander geben.

Die Konversion sollte aber genutzt werden, um bezahlbarem Wohnraum zu schaffen. Seit Jahren ist in Bielefeld das untere Mietpreissegment sehr angespannt“ (vgl. Wohnungsbarometer NRW-Bank) Der Bestand an geförderten Mietwohnungen geht kontinuierlich zurück. Um dieser Entwicklung entgegen zu wirken, hat der Rat der Stadt für die Genehmigung neuer Baugebiete eine 25-Prozent-Quote für sozial geförderten Wohnungsbau festgelegt. Nach Auffassung der BISS ist es dringend erforderlich, vor allem bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Deshalb soll der Wohnraum auf den Konversionsflächen zu 50 Prozent für Personengruppen geschaffen bzw. an sie vergeben werden, die Anspruch auf Wohngeld oder andere staatliche Förderung der Miete haben. Das entspricht ihrem Anteil an der Bielefelder Bevölkerung. (NW v. 16.01.2016)

Architektur:

  • Eine Architektur, die auf Buntheit und Vielfalt setzt, braucht einen stimmigen Gesamtplan, um Beliebigkeit zu vermeiden. Das Gesamtkonzept soll partizipativ entwickelt werden.
  • Ziel ist es, eine Vielfalt von Gestaltungsmöglichkeiten, Baustilen und Gebäudetypologien zu ermöglichen (Stadthäuser, Reihenhäuser, attraktiver Geschosswohnungsbau, möglicherweise auch Bauwagen-Siedlungen“)
  • Kleinteilige Parzellierung, Vermeidung von Flächenvergeudung
  • Flächen zur gemeinsamen Nutzung, Begegnungs- und Kontaktmöglichkeiten
  • Abgrenzung der Flächen für öffentliche und halb-öffentliche Nutzung, Möglichkeit zur sozialverträglichen Distanz
  • Mischung von Investoren, zweckgebundene Veräußerungen, Baugruppen und Mietgruppen
  • Infrastruktur / Verkehr, Stadt der kurzen Wege“, Priorisierung von Fußgängern und Radverkehr

Die Dimensionen Nutzung, soziale Zusammensetzung und Architektur sind kaum voneinander zu trennen und vielfach miteinander verwoben. Quartiersentwicklung bedeutet die Förderung einer lebendigen und nachhaltigen Nachbarschaft. Dies gelingt am ehesten durch die Schaffung eines wertschätzenden gesellschaftlichen Umfeldes. Eine Möglichkeit wäre die gemeinsame zeitlich begrenzte Nutzung von Ressourcen, die nicht ständig gebraucht werden (sharing economy), am bekanntesten das sog. Car-sharing, oder auch Formen von garden-sharing oder urban gardening, Tausch- und Verleihbörsen für Bücher etc.

Im Rahmen der Quartiersentwicklung auf den Konversionsflächen soll auch Raum für innovative Ansätze und Experimente sein, wie energie- versorgungsautarken Häusern und Siedlungen.